Futterneid im Restaurant ist weit verbreitet, vor allem bei Frauen.

Futterneid: Fragst du im Restaurant immer erst, was andere bestellen?

Das hat nicht nur mit dem Essen zu tun ... Ziemlich lange konnte ich mich im Restaurant nur schwer für ein eigenes Gericht entscheiden. Irgendwie musste ich mich erst rückversichern, was andere essen wollen, um dann meine Entscheidung zu überdenken. Damit bin ich nicht alleine: Die Entscheidungsproblematik beim Essengehen ist sogar ziemlich weit verbreitet! Sie betrifft vor allem Frauen.

Was ist da los? Drei Aspekte spielen aus meiner Sicht mit rein:

  1. „Futterneid“, also die Sorge, andere könnten etwas Besseres auf dem Teller haben als man selber.
  2. Die perfekte Wahl, sprich: Wenn man schon essen geht, muss das Gericht höheren Ansprüchen genügen. Sonst könnte man ja gleich zuhause bleiben und selbst kochen.
  3. Die Schwierigkeit, auf das eigene Bauchgefühl zu hören und mir das zu bestellen, worauf ich wirklich Bock habe. Besonders schlimm war es, wenn ich mit meinem Mann essen war ...

Futterneid hat viel mit unserer Vergangenheit zu tun

Futterneid ist ziemlich weit verbreitet. Das hängt so gut wie immer mit Erfahrungen aus der Kindheit zusammen – und hier spielt eben auch eine Rolle, wie alt wir sind. Denn unsere Eltern und Großeltern hatten ein anderes Verhältnis zum Essen.

Ich bin beispielsweise in den Siebziger Jahren groß geworden, damals galt noch die alte, knallharte Schule. Wenn meine Schwester und ich uns – wie so oft – ums Essen gefetzt haben oder eine von uns beim Essen gemäkelt hat, hat unser Vater ihr komplett das Essen weggenommen. Das ist ein Beispiel von vielen: Unser Verhältnis zum Essen ist nun mal geprägt von früher.

Wenn ich mich als Erwachsene im Restaurant nicht entscheiden konnte, meldete sich die kleine Claudia zu Wort. Sie konkurrierte mit ihrem Gegenüber und konnte es lange Zeit auch als Erwachsene nicht ertragen, wenn andere Personen beim Essen den größeren Vogel abgeschossen haben und sie – gefühlt – leer ausging.

Logisch betrachtet, ist das natürlich totaler Quark. Doch bei so tief sitzenden Erfahrungen und angelernten Verhaltensweisen hinterfragen wir selten ohne äußeren Anstoß.

Die Futterneid-Entscheidungsproblematik – eher ein Thema für Frauen?

Meiner eigenen Beobachtung nach und wenn ich mit anderen darüber spreche, scheint es so, dass es vor allem Frauen sind, die sich im Restaurant nicht so leicht entscheiden können.

Wundern tut mich das nicht: Wir Frauen, gerade mit Familie, haben unsere Sensoren halt doch meistens nach außen gerichtet. Das Gefühl für die eigenen Bedürfnisse geht mit der Zeit flöten … oder steht so weit hinten an, dass die Verbindung unterbrochen ist.

Es war so was von interessant für mich, als ich eines Tages merkte, dass ich mich besonders schwer mit dem Bestellen tat, wenn ich mit meinem Mann essen war – dem ist es nämlich auch aufgefallen und so hat er mir manchmal erst nicht verraten wollen, was er sich bestellen wird. Das hat mich ein wenig ins Schleudern gebracht und war der Impuls, mal darüber nachzudenken, wie es mir eigentlich mit dieser Bestellerei geht.

Mir wurde klar, dass es eher peripher ums Essen ging. Tatsächlich war bei mir was verschütt gegangen. Nämlich einfach in mich reinzuhören, worauf ich gerade Lust habe.

Essen hat so viele soziale und psychologische Aspekte! Auf und in uns selbst, in Beziehungen zu Freunden und Familie. Ich finde das großartig, sich auf diese Weise dann auch immer wieder ganz persönlich besser kennenzulernen.

Mit Ende 40 ist bei mir der Knoten geplatzt

Dass irgendwann der Knoten geplatzt, hat vor allem zwei Gründe:

  1. Ich weiß heute sehr viel besser, was ich will.
  2. Ich bin insgesamt unabhängiger geworden und entscheide für mich, worauf ich Bock habe.

Zwar ploppen kleine Neidgefühle im Restaurant immer noch ab und zu hoch. Wenn das Essen auf dem Nachbarteller leckerer aussieht oder insgesamt mehr auf dem Teller liegt zum Beispiel. Das registriere ich natürlich, aber der Dampf ist raus. Es tangiert mich nicht mehr groß. Beim nächsten Restaurantbesuch kann es schon wieder anders aussehen – oder ich koche mir selber was, was ich so richtig toll und lecker finde.

Und: Welche Erfahrungen hast du mit Futterneid gemacht? Ich bin gespannt und freu mich auf deinen Kommentar.

 

Illustration - Mina Braun